David Copperfield kommt vaterlos im Krähennest zur Welt. Leider ist er ein Junge, und Tante Betsey ist so enttäuscht, dass sie die Patenschaft des Kindes doch nicht übernehmen will. Die junge Mutter und die Haushälterin leben ein paar Jahre glücklich zusammen, jedoch wendet sich diese schöne Kindheit, als die Mutter wieder heiratet. 

Der Stiefvater und seine Schwester misshandeln David und sorgen dafür, dass er die geliebte Mutter verlassen muss und im Internat aufgezogen wird. Bald darauf stirbt auch die Mutter, vermutlich an der Lieblosigkeit ihres Ehemanns. Von nun an muss David sich allein durchschlagen. 

Nach weiteren erlittenen Grausamkeiten erinnert er sich an Tante Betsey und schlägt sich zu ihr durch. Dort wird er in die merkwürdige Familie aufgenommen, erhält eine Ausbildung, verliebt sich und gerät öfter mal in schlechte Gesellschaft.

Meine Meinung:

Die Nacherzählung des umfangreichen Romans in der Jugendreihe des Verlags und Studios für Hörbuchproduktionen, ist nicht so bedrückend, wie die Lesungen zu Nicholas Nickleby oder Oliver Twist, denen ich vorher gelauscht hatte. Dirk Walbrecker hat viele Werke für die Jugendliteratur nacherzählt. Die Lesung beruht auf seinem Text.

Hier ist der freundlichere Hörbuchcharakter nicht, wie bei Oliver Twist, den Kürzungen, sondern der Textvorlage selbst zu verdanken. Zwar muss auch David immer wieder Rückschläge einstecken, jedoch ist er niemals so nah am Boden, wie die anderen beiden Helden. Seine Silberstreifen am Horizont sind schneller greifbar, als die von Nick oder Oliver. Dies macht es angenehmer dem Text zu lauschen, die Spannung ist jedoch trotzdem gegeben. Dickens ausführliche Darstellungen konnten für diese Kürzung zusammengestrichen werden, ein Eindruck von seinem Stil ist jedoch erhalten geblieben.  

Gewöhnungsbedürftig ist die Perspektive, die der Autor gewählt hat: Ich komme zur Welt, ich bekomme eine Job, ich verliebe mich …so lauten beispielsweise die Kapitelüberschriften. Die Darstellung wirkt auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich, nimmt dem Hörer jedoch auch einigen Druck, da er weiß, wenn der Autor soviel erzählen kann, hat er überlebt. Es muss also ein gutes Ende nehmen.  

Hans-Josef Schöneberger liest die Geschichte mit verschiedenen Stimmlagen. Alle sind signifikant, ein schleimige Uriah Heep ist so gut getroffen, wie der freundliche Pegotty und der unbedarfte junge David. Die älteren Frauenfiguren hätte ich mir weniger weibisch gewünscht, jedoch sind sie noch gut erträglich und für jüngere Ohren sicher weniger auffällig oder beinahe witzig.  

Die Ausstattung der CD-Box ist in gewohnter Hörbuchproduktionen-Qualität. Zum leichteren Wiedereinstieg sind die Kapitelanfänge zu den einzelnen Tracks aufgelistet. Eine gelungene Produktion im Rahmen der 'Bibliothek der Jugendklassiker'. Dieses Hörbuch wird sicher nicht das einzige der Reihe bleiben, Alice im Wunderland, Die Schildbürger, Robinson Crusoe, Der Graf von Monte Christo, uvm. Es warten noch viele Hörbücher dieser Art auf geneigte Lauscher.

Anmerkung: Plausibel ist auch die Erläuterung des Verlages zu den Jugendbuchklassikern. Die sind mittlerweile so genannte Megaseller und haben sich z.B. als ideale Familienunterhaltung für Reisen mit Kindern im Auto herauskristallisiert. Kritiker mögen denken: Sollen die Eltern doch selbst erzählen. Andererseits muss man sich jedoch realistisch überlegen, wer von den Erwachsenen die Geschichten, die er sicherlich in der Jugend einmal gehört oder gelesen hat, heute noch erzählen kann. Der Charakter dieser Hörbücher entspricht einer solchen Erzählung, nicht der vollständigen Lesung der Romane, die man z.B. bei den Christie-Romanen gewohnt ist. Und als Gemeinschaftserlebnis ist das Hörbuch-Hören wundervoll. (Binchen, August 2005)

geht es zu einem Verlagsportrait über diesen ungewöhnlichen Verlag!