Die
Kultur-Rundfunksender der ARD übertrugen am 21. März 2003
die vierstündige Abend-Sendung, die der MDR Kultur anlässlich
der Leipziger Buchmesse veranstaltete. Das Programm
war zwar gedrängt voll mit Hörbuchinformationen und hatte
auch namhafte Sprecher als Gäste. Alles in allem wurde jedoch
ein ernsthaft an Literatur interessierter Hörer enttäuscht.
Was Ohrenschmaus hätte sein sollen, kam daher wie
eine schwafelnde Talkshow. Damit wurde man weder dem Thema
noch den hochkarätigen Vorlesern gerecht.
Was mir gefiel:
|
|
-
Hans Korte. Er
las aus Skarmetas "Brennende Ungeduld". Ein Sprecher und
ein Text, wo der Hörer regelrecht mitgerissen wird. Hans Korte
ist bekannt und beliebt als Bühnendarsteller, Hörspielstimme und
Vorleser zahlreicher Hörbücher. Bei Skarmetas Text greift er
wieder tief in die stimmliche Trickkiste, dem Hörer ein hautnahes
bis unter die Haut gehendes Erlebnis zu vermitteln. Dieses Buch
steht schon auf meiner Wunschliste.
|
-
Harry Rowohlt. Er
krönte den Abend mit heftigen Attacken auf das Zwerchfell. Locker
holt er im Dahinstreifen durch den literarischen Alltag die
Stimmen bekannter Autoren und Kritiker aus sich heraus und erntet
eine Lachsalve nach der anderen. Das war wahrlich ein rechtes
Betthupferl für den Schluss der Sendung gegen Mitternacht.
Natürlich wären da noch Ecos "Baudolino"
und Melvilles "Moby Dick",
beide Werke als vorzügliche Hörspiel-Mehrteiler vorliegend, zu
erwähnen. Aber die werden bereits von Rundfunkanstalt zu
Rundfunkanstalt gereicht und ausgestrahlt. Sind sehr zu empfehlen
als Beweis, dass auch eine komprimierte Hörspieladaption dem Werk
keinen Abbruch tun muss.
|

Harry Rowohlt
|
Was mir missfiel:
-
Die Art, wie der Abend aufgezogen
wurde. Ich bin weiß Gott kein Verfechter
steifer Stehkragensendungen, wenn es um Literatur geht.
Aber man sollte sich davor hüten, einen derartigen Klamauk zu
veranstalten, wie das diesmal der Fall war.
|
-
HörKules. Nichts gegen Saint-Exupéry
und "Der kleine Prinz", von
Ulrich Mühe auch lebendig vorgetragen. Aber
- mal im Ernst - gäbe es nicht aktuellere Werke? Wäre zum Beispiel
Walter Moers "Die dreizehneinhalb Leben des Käpt'n Blaubär",
von einem kongenialen Leser wie Dirk Bach dargeboten, nicht
passender für den HörKules gewesen?
|
-
Bibel. Die Übertragung der Bücher der
Thora mit Texten aus der Luther-Bibel
zu vergleichen war meiner Meinung nach ein Fehlgriff.
Martin Buber und Franz Rosenzweig hatten einen ganz anderen Ansatz, als sie die Bücher aus dem Hebräischen ins
Deutsche
übertrugen. Ihnen war darum zu tun, etwas vom Ursprung des
Originals spüren zu lassen. Das kommt natürlich nicht so geschliffen
und poetisch daher wie bei Martin Luther. Somit absolut
nicht vergleichbar. Ich schätze die Stimmen von Rolf Boysen
und Thomas Holtzmann, die mir den Buber/Rosenzweig-Text in seiner
Kantigkeit und schwerblütigen Weise darbieten, sehr!
|
-
Rätsel. Was haben sich die
Veranstalter denn dabei gedacht,
in einer Hörbuchsendung als Preisrätsel nach Politikern
und Fußball-Ereignissen zu fragen? Traut man den Hörern
draußen am Rundfunk und den Teilnehmern im Sendesaal keine literarische
Sachkenntnis mehr zu? Ich fand das äußerst merkwürdig
und abgeschmackt!
|
|
Es gäbe sicher noch das eine oder andere zu
motzen. Will es aber dabei belassen und
hoffen, dass für das Frühjahr 2004 die Veranstalter
der ARD-Radionacht mit einem besseren Konzept auf Sender
gehen. (Verfasser:
Johannes Weidner, Bonn, 22. März 2003 / Foto: Petra Ludwig)
|