Das Hörbuch "Hüterin des Lichts": Interview von Oliver Schulte mit
dem ausführenden Produzenten und Regisseur Hannes Wollmann, khap-LA studio:

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Herzlichen Dank, dass Sie für ein Interview bereitstehen. Sie haben
für die Produktion "Hüterin des Lichts" das Casting durchgeführt, die Regie geführt und die Produktion vor Ort begleitet.
Viele der Szenen wurden außerhalb des Studios unter freiem Himmel aufgenommen und wurden von den
Akteuren sogar wirklich gespielt. Warum dieser Aufwand?
Das war ein wesentlicher Teil meines Konzeptes. Durch die Aufnahmen an "Original-Hörplätzen" konnte ich
zwei Anforderungen realisieren, die mir sehr am Herzen lagen. Die erste war, eine akustische Transparenz
und Tiefe abzubilden, welche in herkömmlichen Studioaufnahmen nicht möglich ist. Gerade wenn viel Bewegung im
Spiel vorkommt, hat das zu unglaublich tollen Ergebnissen geführt. Es ist damit möglich,
nicht nur das "Links" oder "Rechts" abzubilden, sondern auch das "Vorne" und "Hinten". An einigen Stellen war es sogar möglich,
klanglich ein "Oben" und "Unten" hörbar zu machen.
Die zweite war, eine Authentizität und emotionale Tiefe zu erzeugen, die auch in den Actionszenen gut funktioniert. Es ist einfach ein
großer Unterschied, ob der/die Schauspieler/in einen Dialog während eines Schwertkampfes wirklich kämpfend mit Schwert in der Hand spielt
oder ihn vom Studiotisch aus liest. Die Kampfszenen, allen voran die, die im Wasser aufgenommen wurden,
haben von den Schauspielern ein Höchstmaß an Einsatz abverlangt, was sich in einer ungekannten
plastischen Dichte und emotionsgeladenen Spannung niederschlägt.
Wie hat man sich die Aufnahmen technisch vorzustellen? War das gerade
ob der gespielten Szenen nicht ein besonders schwieriges Unterfangen?
Technisch gesehen wurden die meisten Aufnahmen als Laufzeit-Stereophonie
mit hochwertigen Studiomikrofonen verwirklicht. Die Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen hatten, waren einerseits
Windgeräusche, andererseits Verkehrsgeräusche, vor allem Fluglärm. Um die Windgeräusche
zu eliminieren, stand uns eine eigens für diese Produktion entwickelte
Mikrofonaufhängung zur Verfügung. Bei der Suche nach Aufnahme-Locations
mit möglichst wenig Verkehrslärm kamen topografische Karten sowie Karten mit
den Standardflugkorridoren zum Einsatz.
Auf den Fotos zum Dreh sieht es aus, als ob einige der Schauspieler/Sprecher
in Kostümen agieren. War das wirklich so ?
Nein - diese Bilder sind für den Fotografen gestellt worden. Allerdings
waren viele Requisiten echt. Vor allem die für die Geschichte wichtigen
X-Schwerter wurden speziell für diese Produktion von einem Schmied angefertigt. Bei der Kleidung war für die Außenaufnahmen eher robustes
Outdoormaterial gefragt.
Sie haben auch das Casting durchgeführt - bei einer Crew von 27 Schauspielern
sicher nicht leicht. Nach welchen Kriterien haben Sie die Rollen besetzt?
Letztendlich waren es 30 Schauspieler, die 43 Rollen gesprochen haben.
Neben den schauspielerischen Fähigkeiten kam es mir vor allem auf ein zur jeweiligen Rolle passendes Timbre der Stimme an. So sollte
allein durch die Kraft der Stimme beim Hörer ein eindeutiges Bild des dargestellten Charakters entstehen. Auch die
Unterscheidbarkeit der Stimmen untereinander war ein wichtiges Kriterium. Wir hatten
im August zehn Tage Zeit, um alle Spielszenen aufzuzeichnen. Dieser enge Zeitrahmen stellte höchste Ansprüche an die
Professionalität aller Beteiligten. Die sich daraus ergebende Logistik bei der Erstellung
der Disposition war eine große Herausforderung.
Welche Herausforderungen haben Sie den Akteuren beim Casting gestellt?
Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung im Hörspielbereich habe ich schon mit einer wirklich großen Zahl von
Schauspielern zusammengearbeitet. Somit konnte ich im voraus die Fähigkeiten der meisten Akteuren
genau einschätzen. Bei der restlichen Besetzung war mir die treffende
Darstellung des Charakters ein großes Anliegen. Dies wurde im persönlichen
Vorsprechen oder über spezielle Hörproben ermittelt. Das Internet und
die Möglichkeit, MP3s auszutauschen, waren da eine große Hilfe.
Wie groß war hier Ihr persönlicher Entscheidungsfreiraum bei der Besetzung der Rollen, oder war
diesbezüglich eine Abstimmung mit Verantwortlichen des Verlages notwendig?
Mein persönlicher Entscheidungsfreiraum war so groß wie mein persönlicher
Einsatz: groß!
Ich konnte alle Besetzungen vorschlagen und ließ sie mir dann vom Verlag absegnen.
Vielleicht können Sie uns bitte kurz etwas über sich und Ihren beruflichen
Werdegang erzählen?
Seit 1992 betreibe ich mein eigenes Tonstudio. Zu den Kerngebieten meiner Arbeit zählt seit damals die
Produktion von Hörspielen und Lesungen. So habe ich z.B. für den Hörverlag oder den Audio-Media-Verlag
diverse Produktionen realisiert. Hierbei kam ich mit den unterschiedlichsten
Themen in Kontakt. Angefangen von klassischen Erzählungen über Infotainment-Produktionen bis hin zu Kinderhörspielen wie z.B. "Salvatore,
der Medifant" von Elfie Donellie. Des Weiteren war ich als Dozent für
die Media-Design-Akademie und als freier Autor für das Fachmagazin "Soundcheck" tätig.
Wie sind Sie eigentlich zu der Produktion "Hüterin des Lichts" gekommen,
wie kam der Kontakt zum Verlag zustande?
Der Kontakt kam über meine Website www.khap-la.de zustande. Der Buchbäcker
Verlag hat die Umsetzung des Romans angefragt, und ich habe dann gleich im ersten Gespräch ein Konzept vorgeschlagen, das bislang
noch niemand für die Produktion eines Hörspiels gewagt hat - und stieß damit auf offene Ohren.
In der Presse-Info zum Hörspiel heißt es: "Spezialeffekte, Musik und Sounds werden in einer Weise
miteinander kombiniert, wie sie Ihresgleichen erst noch finden müssen." Was genau hat der Hörer hierunter
zu verstehen?
Das bezieht sich auf den Schnitt, der teilweise so schnell ist wie in einem State-of-the-art-Actionmovie.
Dass das Geschehen trotzdem noch verständlich und nachvollziehbar bleibt, wird unter anderem
von der oben erwähnten Aufnahmetechnik gewährleistet. Man hört sozusagen
einen Actionfilm und vermisst nicht einmal das Bild. Viel mehr noch: Durch die Kombination aller Elemente wird der Hörer sofort in eine
Flut von Bildern getaucht, die sich vor seinem geistigen Auge aufbaut.
Es entsteht ein Sog, der einen in die Geschichte zieht und emotional teilhaben lässt, weil der Raum der Geschichte sich auf den Raum des
Hörers ausweitet.
Wurde die Musik speziell für das Hörspiel komponiert?
Ja, teilweise. Aufgrund der Spieldauer von mehr als zehn Stunden haben wir auch auf so genannte "gekaufte"
Filmmusik zurückgegriffen. Hier wurden allerdings nur hochwertigste Synphonieorchester-Aufnahmen
verwendet.
Hat man sich zur Geräuschuntermalung ausschließlich einer Soundlibary
bedient oder wurden Geräusche auch für dieses Hörspiel speziell neu
aufgenommen und in "Eigenregie" erstellt?
Viele Geräusche sind ja schon während der Dialogaufnahmen entstanden,
wie z.B. das Klirren der Schwerter während des Kampfes, vorbeihetzende
Schritte im Wald bei Verfolgungsjagden oder das Wasserplatschen bei einem Zweikampf in einem Bach. Selbst das Gewitter während eines
Dialoges fand während der Aufnahme statt! Die Darsteller sind mit ihrer Interpretation spontan auf die neue Situation eingegangen.
Hier wurden keine Donner aus dem Archiv verwendet - es war alles echt. Diese Aufnahme zählt zu einem der wunderbaren
Momente, wo mehr entstanden ist, als je im Studio möglich gewesen wäre.
Zusätzlich gab es noch eine umfangreiche Geräuschproduktion im Anschluss
an die Dialogaufnahmen. So wurde z.B. bei den Kampfszenen mit den Darstellern auf das "Fallen" wegen der Verletzungsgefahr
weitestgehend verzichtet. In der Geräuschproduktion wurden die betreffenden Stellen
von einem Stuntman nachgestellt. Auch die bedrohlichen Geräusche der unberechenbaren Felsbrocken während eines
Bergrutsches nahmen wir an einer großen Betonrampe mit echten Felsen auf.
Das Hörspiel basiert auf einem Roman von Andreas Abstreiter. Ist das Hörspiel eine komplette Umsetzung des
Romans oder wurde hier ein spezielles, gekürztes Skript verwendet?
Es ist eine nahezu ungekürzte Version des Romans. Ich konnte bei der Umsetzung zum Drehbuch für das
Hörspiel mitarbeiten und meine Erfahrung und Ideen mit einbringen.
Welche besonderen Schwierigkeiten/Herausforderungen gab es bei der Umsetzung des Romans in
Hörspielform? Welche besonderen Herausforderungen hat die Produktion an Sie als Regisseur und
ausführender Produzent gestellt?
Die Komplexität der Geschichte verlangte ein besonderes Augenmerk auf Kontinuität. So waren wir durch das
Wetter während der Außenaufnahmen festgelegt. An einigen Stellen wichen unsere Aufnahmen vom Wetter
im Drehbuch ab. Hier musste dann die Geschichte umgeschrieben werden und alle anschließenden
Aufnahmen, allen voran die Aufnahmen mit unserem Erzähler Achim Höppner, angepasst werden.
Auch der allgemeine Umfang der Produktion erforderte ein hohes Maß an Logistik. Das wird einem schnell klar, wenn
man sich ein paar Zahlen anschaut. Allein mit den Dialogszenen haben wir weit über
1500 Takes aufgezeichnet. Um hier nicht den Überblick zu verlieren, bedarf es eines weiteren Departments - dem
Scripting -, was schriftliche Aufzeichnungen zu den jeweiligen Takes liefert. Alles in allem erinnert
der Aufwand eher an eine Filmproduktion, da wir den bislang bekannten Rahmen einer Hörspielproduktion schon
längst gesprengt haben.
Wo positioniert sich das Thema der Geschichte innerhalb des Fantasy-Genres? Gibt es diesbezüglich
Vergleichbares?
Das Setting des Romans ist mittelalterlich, also vorindustriell, aber mit einer ausgeprägten Handwerkskunst.
Die Entwicklung der Geschichte von vier verschiedenen Stämmen in einer Konfliktsituation bis hin
zum Krieg steht im Vordergrund. Die spirituellen und mystischen Elemente
spielen eine untergeordnete Rolle, sind aber durchaus vorhanden.
Was ist das Besondere an der Thematik des Romans?
Eigentlich ist es ein politischer Action-Thriller, der im Fantasygewand
daherkommt. Das, worum gekämpft wird, ist die gerechte Verteilung von Ressourcen. Insofern hat die Geschichte viel Bezug zur Jetzt-Zeit.
Das Interview führte Oliver Schulte von www.hoerspiel-rezensionen.de.
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