
Kölner Frankenwerft - das Schiff, auf dem die
Ausstellung und Lesung stattgefunden hat. |
Der hörverlag lud zur Lesung auf dem Schiff
ein: Bodytravel - Reise in den Körper. Eine
Ausstellung, die sich mit dem menschlichen Organisimus beschäftigt und uns ins Innere
unseres Körpers führt. Präsentiert wird diese Ausstellung auf einem 65 m langen
Lastschiff, welches quer durch Deutschland reist und in Städten wie Frankfurt am Main,
Hamburg, Berlin, Stuttgart, Mannheim, Würzburg, Dresden und Düsseldorf anlegt. Erste
Anlegestelle war die Kölner Frankenwerft. |
In Kooperation mit Bodytravel bietet der
hörverlag auf diesem Schiff einige Veranstaltungen. Den Auftakt dazu bildete am 22. April
2002 ein Abend mit dem Autor Burkhard Spinnen und dem Autor und Lautpoet Michael Lentz;
diese Bezeichnung bringt man oft mit ihm in Verbindung. Michael Lentz, Preisträger des
Ingeborg-Bachmann-Preises, las Stücke aus seinem Buch Muttersterben vor, welches
kürzlich der hörverlag als Hörstück herausgegeben hat. Was
hat nun eine Lesung mit einer Ausstellung zu tun, die sich mit dem menschlichen Körper
und den Vorgängen im Körper beschäftigt? Darauf hat der Hörverlag eine Antwort, die
mich darin bestätigt, dass ein Hörbuch ein ganz eigenständiges Medium ist: Beim Lesen
besteht eine Distanz zwischen Buch und Auge. Diese fällt beim Hören weg. Das Hören
passiert direkt in uns drinnen. |

Somatosensorischer Homunculus nach
Wilder Penfield (Erklärung s. Link) |

Rezension
im Hoerbuecher4um zur CD Muttersterben von Michael Lentz. |
Und niemand würde mir einfallen, der sich besser eignet
das zu vermitteln als Michael Lentz. Vor diesem Abend war mir lediglich der Titel des
Buches ein Begriff; über den Inhalt jedoch wusste ich nichts, ebenso wenig über den
Autor selbst. So konnte ich ganz unbedarft die vorgetragenen Stücke aus dem Buch auf mich
wirken lassen. Die Stimme von Michael Lentz prasselt auf den Hörer ein. Schon in der
Ankündigung wurde der Besucher darauf vorbereitet, dass Lentz seine Stimme als Instrument
benutzt für die in dem Buch Muttersterben von ihm komponierten Sätze. Und es wurde auch
nicht verheimlicht, dass auch ein Maschinengewehr ein Instrument sein kann. Und genauso
wirkt Michael Lentz Stimme - Pistolenschüsse, ein Treffer nach dem anderen. |
Kurzgeschichten wäre hier die falsche Bezeichnung für
das, was Michael Lentz in Muttersterben geschrieben hat. Vielmehr sind es Prosa-Stücke,
die nicht unbedingt in einem endgültigen Zusammenhang stehen. Der Text besteht viel aus
Wortfetzen, die oft ohne Satzzeichen aneinander gereiht sind. Das hört sich zunächst
einmal schrecklich an. Ein einfacher Text ist es auch ganz sicher nicht. Aber es lohnt
sich, sich darauf einzulassen. Denn die Texte sind derart eindringlich und lösen nicht
nur Gedanken sondern auch Gefühle aus, wie es sonst vielleicht nur die Musik vermag. Es
war für mich ein ganz neues Erlebnis. |
Und genau hier gelangte ich an den Punkt, wo ich
verstanden habe wie nie zuvor, dass manche Texte erst ein rundes Ganzes ergeben, wenn sie
vorgelesen werden. Denn der Leser interpretiert ja den Text beim Lesen. Hätte ich nun
Muttersterben selbst gelesen, zudem noch leise für mich, wäre mir die Musik dieses
Buches verborgen geblieben und die Gefühle, die durch den Wortklang ausgelöst wurden,
wären sicher ganz andere gewesen, vergleichbar mit einem Musikstück, welches sowohl als
Ballade als auch als Pop gesungen werden kann und beim Hören unterschiedliche Gefühle
auslöst. So konnte ich mich von Michael Lentz Stimme in
einen Sog von Gefühlen reißen lassen. Von Wut über Schmerz, Hilflosigkeit und nicht
zugelassener Trauer. Dann mal wieder Humor, wo man ihn gar nicht vermutet hätte, nur um
sich sofort mit den nächsten Wortfetzen wieder in den Abgrund ziehen zu lassen. Michael
Lentz verschont den Hörer mit nichts! Er wahrt keine Distanz und wirkt direkt in unserem
Inneren - wenn wir uns darauf einlassen. |

Michael Lentz beim Lesen aus seinem Buch Muttersterben. |

der hörverlag erzählt über die Wirkung des Gehörten auf
den Hörer. |
Damit hat der hörverlag aufgezeigt, dass manche
Bücher wirklich erst vollständig wirken, wenn sie laut gelesen werden. Ein Beweis
dafür, dass das Hörbuch kein Konkurrent für das Buch ist, sondern etwas ganz eigenes.
Und hatte ich am Anfang noch meine Zweifel, was wohl die Lesung aus einem Buch mit einer
Ausstellung wie dieser zu tun hat, so weiß ich jetzt, dass Hören wirklich in uns drinnen
passiert. Die Atmosphäre tat ein Übriges die Sinne
anzuregen. Bei Abenddämmerung auf dem Rhein, den Kölner Dom in Sichtweite. Im Anschluss
an die Veranstaltung gab es Wein und einen Imbiss sowie nette und überaus interessante
Gespräche mit den Autoren sowie den weiteren Gästen. Ein gelungener Abend, der
nachhaltigen Eindruck auf mich ausgeübt hat.
Herzlichen Dank an der hörverlag für den gelungenen Abend!
Hinweis:
der hörverlag und
Bodytravel haben eigene Internetseiten. Mehr Infos zu den Veranstaltungen gibt es dort. Es
sind noch einige Termine geplant - nichts wie hin! |
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