Um 2750 v. Chr.: Noahs Werft liegt an der Grenze zum
düsteren Nordreich, in dem seit langem das Böse herrscht. Auch mit dem
Südreich steht es lange schon nicht mehr zum Besten: Konsum- und Prunksucht
beherrschen die Menschen dort.
Da erhält Noah eines Tages von Gott, an dem er so
sehr festhält und an den er glaubt, einen Auftrag: Er soll ein riesiges
Schiff bauen, denn Gott will die Menschen in einer riesigen Flut ertränken.
Noah versteht den Sinn Gottes Vorhaben nicht und kann gar nicht glauben,
dass sein Gott so grausam ist. Aber Naema, Noahs Frau die von einem Volk
abstammt, dass einst die Sprache der Natur sprach, verhilft ihm zu einer
etwas differenzierten Sicht der Dinge und so mobilisiert Noah all seine
Kräfte, den Auftrag auszuführen. Dazu bleibt ihm nicht viel Zeit, denn das
Wasser steigt und steigt, tötet Menschen und Vieh in einer ersten
Flutwelle, an den Flussmündungen werfen sich riesige Schlammberge auf und
das Wasser des Flusses ist vergiftet. So treibt Noah den Bau des Schiffes
voran und alles will gut überlegt sein - nicht zuletzt wer oder was
gerettet werden soll, denn auch das größte Schiff hat nicht genug Platz
für alle...
Meine Meinung:
Sintflut: Bibel, Kirche, Religion, Altes Testament,
Arche, Noah, Tier-Paare - das sind die Begriffe, die den meisten von uns
spontan dazu einfallen. Marianne Frederiksson hat dazu jedoch ganz andere
Ideen, die ich mit großem Interesse verfolgt habe.
Zunächst einmal hat mir dieses Hörbuch
ermöglicht, die Sintflut auch einmal als das zu sehen, was sie ganz
ursprünglich betrachtet ist: eine Naturkatastrophe. Diese kündigt sich,
wie es bei Katastrophen dieser Art von der Natur so gegeben ist, auch an.
Nichts also mit Überflutung - im wahrsten Sinne des Wortes - aus heiterem
Himmel. Zwar erhält Noah die Botschaft von Gott, aber paralell dazu
zeichnet sie sich auch ohne göttliches Zutun ab: Die Wasserstände steigen,
das natürliche Gleichgewicht ist zerstört, der Fluss vergiftet, verursacht
durch menschliches Eingreifen in die Natur.
Nicht etwa versucht Marianne Frederiksson mit ihrer
Geschichte der biblischen Sintflut zu untermauern, dass sie wohl einst
stattgefunden haben mag, aber eher in naturwissenschaftlichen denn in
religiösen Betrachtungen die Ursache zu ergründen gilt. Sie beraubt dieses
biblische Ereignis nicht ihrer religiösen Symbolik. Vielmehr macht sie
sensibel dafür, dass eine wichtige Überlegung sein sollte, den bequemen
Glauben in Frage zu stellen, der uns erlaubt, unsere eigene Verantwortung,
die wir für die Erde haben, auf der wir leben, abzugeben und Gott dafür
verantwortlich zu machen und anstatt aktiv etwas zu tun und uns auf unsere
eigenen inneren Kräfte zu besinnen und auf sie zu vertrauen, einfach nur zu
bejammern wie grausam Gott ist und wie er so viel Leid zulassen, ja, sogar
veranlassen kann.
Dies vermittelt die Autorin auf eine ganz elegante
Weise, indem Naema, Noahs Frau, die einem anderen Volk mit einem anderen
Glauben abstammt, ihm den Gott ihres Volkes erklärt, der in allem wohnt,
auch im Fluss, der die Menschen durch Zeichen selber ermahnt, in den Tieren,
die zu retten Teil Noahs Auftrag ist und vor allem auch in den Menschen
selbst, die somit dieses Leid selbst zulassen und gar verursachen.
Zudem kann Marianne Frederikssons „Sintflut“ als
Parabel und somit als Warnung verstanden werden. Denn während der
Erzählung fragt man sich mehr als einmal, wie weit wir in der heutigen Zeit
von der Sintflut entfernt sind; wie lange es dauern mag, bis „Gott“ uns
ertränken will oder muss, um das natürliche, lebensnotwendige
Gleichgewicht wiederherzustellen, das durch massives menschliches Eingreifen
in die Natur mehr und mehr gestört wird.
Dieser Gedanke hat mich an Marianne Frederikssons
Erzählung am meisten beschäftigt und beeindruckt. Aber es war nicht die
einzige Überlegung, die sie bei mir ausgelöst hat, sondern nur einer von
einer ganzen (Sint)Flut von Gedanken. So ist es eine durchaus interessante
Überlegung, wer bei solch einer alles vernichtenden Katastrophe zu retten
ist. Die eigene Familie? Oder Menschen mit besonderen Eigenschaften? Und was
muss mit auf’s Schiff, um für die Nachwelt erhalten zu bleiben an Wissen
und Schrifttum? Schwierige Fragen, vor die Noah hier gestellt wird. Zwei
Tiere jeder Art, wie es in der Bibel dargestellt wird, so darf man sich das
hier nicht vorstellen. So leicht macht Marianne Frederiksson es Noah nicht
und löst damit interessante Gedanken aus - auch beim Hörer. Allein der
Gedanke mal andersherum: Was ging verloren? Wie weit war die Menschheit vor
der Vernichtung fast allem existentem? Wie könnte es vor so einer Sintflut
auf der Erde ausgesehen haben?
Die Autorin hat mit „Sintflut“ nicht zum ersten
Mal ein biblisches Thema in ihren Romanen aufgegriffen. Es gibt derer viele,
wie z. B. „Eva“, „Abels Bruder“ und „Maria Magdalena“, um nur
einige zu nennen. „Sintflut“ hat mich sehr neugierig darauf gemacht,
auch diese Episoden, diese Figuren der Bibel aus Marianne Frederikssons
Sicht zu betrachten, ihr Leben, ihre Geschichte und ihre mögliche Bedeutung
neu zu erfassen. Eine spannende Idee, die biblischen Ereignisse und Personen
sich einmal mit all ihren Problemen, Sorgen und Nöten vorzustellen, die
Geschichte auszumalen - völlig neue Perspektiven tuen sich hierbei auf.
Begeistert war ich jedoch nicht nur von der
Erzählung und der Idee, sondern auch von der Sprecherin dieses Hörbuchs:
Ursula Illert. Sie trägt den Hörer gekonnt durch die Geschichte und lässt
durch ihren ruhigen Erzählfluss genügend Raum für eigene Gedanken. Zudem
ist sie für mich einfach eine der besten Sprecherinnen: Ihr zuzuhören ist
Genuss pur und ein Abtauchen in die Welt, in die sie den Hörer entführen
möchte, ist unmöglich zu verhindern. (Petra)