Oskar liegt im Krankenhaus und erfährt, weil er ein Gespräch zwischen seinen
Eltern und einem der Ärzte belauscht, dass er nicht mehr lange zu leben hat.
Er ist krebskrank und es kann nun niemand mehr etwas für ihn tun. Das allein
ist im Grunde schon allein für sich nicht zu verdauen. Doch was Oskar noch
viel wütender und trauriger macht: er fühlt sich von ihnen nicht mehr geliebt, ja, sie scheinen sich sogar vor ihm zu fürchten.
Wie sonst sollte ein kleiner Junge wie er es sich erklären, dass sie ihm ausweichen, er mit ihnen
nicht über seinen bevorstehenden Tod reden kann? Wenn sie ihn besuchen, dreht sich alles nur um Belanglosigkeiten. Und
ehrlich sind sie auch nicht zu ihm - z. B. vertrauen sie ihm nicht an, was
der Arzt ihnen gesagt hat. Als ginge es gar nicht um ihn.
Doch da ist auch die Dame in Rosa. Eine von den Frauen, die
sich um die kranken
Kinder in der Klinik ein wenig kümmern. Mit ihr schließt er Freundschaft und
findet in der alten Dame einen Gesprächspartner. Und kann Oma Rosa auch nicht verhindern, dass Oskar stirbt, so kann sie doch dafür sorgen, dass
Oskar am Ende auf erfüllte "Jahre" blicken kann und dass es mit seinen
Eltern wieder so ist, wie es einmal war...
Meine Meinung:
Vorsicht: Taschentücher bereithalten. Hier wird niemand verschont: Oskar,
seine Angehörigen und auch die Hörer nicht. Aber das ist gut so. Viel zu
sehr ist das Thema Tod - speziell wenn er nach einem noch viel zu jungen Menschen greift - ein Tabu. Es wird nicht offen darüber geredet. Viel zu
groß ist die Angst, doch wird sie - das macht diese Geschichte deutlich -
dadurch nur noch größer und das Schweigen macht einsam; dann, wenn man eigentlich am meisten jemanden braucht.
Wie gut, dass Oma Rosa da ist. Sie animiert Oskar dazu, an Gott zu schreiben,
auch wenn er nicht an ihn glaubt. Umwerfend schöne Briefe schreibt er somit
in seinen letzten Tagen. Umwerfend, weil sie voller kindlicher Ideen stecken, die umso anrührender sind, als dass
sich der Hörer klar ist, aus
welcher Situation heraus sie geboren wurden. Diese Briefe liest Oma Rosa (Gisela Trowe) in diesem Hörspiel im Rückblick vor.
Einige Sequenzen werden zur Intensivierung von einer Jungenstimme (Jannik Schümann) übernommen, denn
schließlich handelt es sich um Oskars Gedankengut und - wir kennen es doch
alle - wir haben die Stimmen uns bekannter Menschen im Kopf klingen, wenn wir Briefe von ihnen lesen.
Das ist eine sehr schöne Art, diese Geschichte zu erzählen. Die Briefe stecken voller liebenswerter und an
manchen Stellen überraschend tiefer Ideen, die Eric-Emmanuel Schmitt Oskar verleiht. Die Summe dieser
Ideen, dieser letzten Tage des kleinen Oskar und seiner Gespräche mit Oma
Rosa sind ein kostbarer Schatz, der äußerst gelungen und atmosphärisch durch
dieses Hörbuch herüberkommt. Schmitt hat schon in "Monsieur Ibrahim und die
Blumen des Koran" bewiesen, dass er es versteht, sich in eine Kinderseele zu
versetzen, auf eine völlig eigene Art und Weise. Er erstaunt mich auch hier
mit seinen herzerwärmenden Gedanken, die rührend sind ohne rührselig zu
sein.
Der Stimme Oma Rosas zuzuhören, macht Freude. Sie hat so einen gütigen und
doch bestimmten Tonfall. Und da sie nach Oskars Tod dessen Briefe an Gott vorliest, hört man auch ihr manchmal an, dass sie den Tränen
nahe ist, was sie aber wiederum mit ihrer burschikosen Art zu übertünchen versucht. Heraus
kommt genau die richtige Mischung! So stelle ich sie mir vor, die Oma Rosa,
wie sie für Oskar ihre eigene Traurigkeit zur Seite schiebt, um für ihn da
zu sein, nur um am Ende irgendwie richtig festzustellen, dass eigentlich Oskar es war,
der für sie und seine Eltern da war. Wo so über das Thema Tod geredet
wird wie in diesem Hörbuch, da sollte
man einfach hinhören. Ein unvergessliches Hörerlebnis - wenn auch letztlich sehr traurig. Aber auch
hier gilt: es ist nicht rührselig. Das macht es nur noch schwieriger, den
Tränen keinen freien Lauf zu lassen. Denn Oskar stirbt, und nicht wir - und
er ist so tapfer! (Petra)