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Rezension

Cover Deutschland, eine Reise
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Bewertung:
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:

In 3 Monaten hat Wolfgang Büscher zu Fuß, per Anhalter und mit dem Bus Deutschland umrundet. 3.500 km, immer entlang der Grenze – oder auch mal knapp darüber – spürt er bekannte und auch vergessene Orte auf und fängt sie ein, in diesem Reisetagebuch. Doch sein Blick richtet sich nicht nur auf die Landschaft und die Städte, sondern auch auf deren Bewohner. 

Allein reisen, bedeutet auch, allein sein mit den eigenen Empfindungen und Gedanken. Ein wohltuender Zustand für das Gelingen eines Reiseberichts wie diesen. Denn all die gewonnenen Eindrücke können in der Isolation zur vollen Entfaltung gelangen.

Meine Meinung:

Wolfgang Büscher sagt in diesem Reisetagebuch über sich selbst, er sei nichts anderes, als ein Wanderer, der in fremde Stuben und Seelen schaut. Damit hat er sich sehr treffend selbst beschrieben. Und hierin liegt auch seine Stärke. Mit sicherem Blick findet er jenseits des geschäftigen Treibens einen ruhigen Pol in jedem Ort, wo das Leben und die Gesinnung noch ursprünglich ist und nicht allzu sehr verfärbt, vom Zeitgeschehen und fremden Einflüssen. Das ist unbedingt notwendig, um einen möglichst ehrlichen, unverfälschten Blick auf eine Stadt und ihre Bewohner zu erhalten. So findet sich Büscher – außerhalb der Hauptsaison – oft in von allen Gästen verlassenen Pensionen wieder, trifft auf materielles und menschliches Urgestein und fängt damit die Seele eines Ortes ein.

Bei seinen Schilderungen ist er oft schonungslos, ja, manchmal sogar hart. Keine Schnörkelei verstellt den Blick auf den Kern eines Ortes oder eines Menschen. Dass er manchmal damit von unbegrenzter Toleranz und Offenheit abweicht, ist ihm scheinbar gleichgültig. Und stehe ich mit ihm auch nicht in allem auf demselben Standpunkt, so bin ich doch dankbar für seine erbarmungslose Ehrlichkeit. So empfindet er, so denkt er. Damit lässt es sich auseinander setzen.

Umso überraschender sind die Momente, in denen er mit einer berührenden Poesie Stimmungen und Szenen einfängt und diese zu Momentaufnahmen fixiert. Wunderbar stimmungsvolle Szenen und Beobachtungen finden in diesen Reiseschilderungen ihren Platz.

Ebenfalls sehr schön habe ich die Passagen empfunden, in denen er Menschen begegnet, die von der Norm abweichen. So z. B. ein Großstädter, den ein Erbe zu einem herrlich verschrobenen Doppelleben gebracht hat. Einmal der typische Großstädter, einmal der Baron auf dem Lande. Für diese Begegnungen liebe ich dieses Buch.

Beinahe hassen kann ich es an den Stellen, wo er allzu erzwungen Deutschland immer wieder aus dem Blickwinkel des zweiten Weltkriegs beäugt. Stellenweise kamen mir gar Zweifel, wann er diese Reise unternommen hat. Der Verstand sagte mir, dass es nicht lange her ist, zum einen, weil ich mich vorher durch das booklet darüber informiert hatte, dass er im Jahr 2004 diese Reise antrat, zum anderen, weil viele Hinweise in seinem Bericht Rückschlüsse auf die ungefähre Zeit zulassen. Das Gefühl jedoch sprach das Gegenteil. Stellenweise musste ich mich erneut zeitlich orientieren, um das Gefühl abzuschütteln, dass wir uns in der Nachkriegszeit befänden. Allzu verbissen versucht er in jedem Ort die Zerstörungen an Stadt und Mensch heraufzubeschwören, als sei dies heute noch genauso präsent, wie vor fünfzig, sechzig Jahren. Als würde ein Land nur von seiner Vergangenheit leben und nicht auch von seiner Gegenwart. Damit keine Missverständnisse entstehen: Ein bisschen hiervon ja, weil auch die Vergangenheit die Gegenwart formt. Aber eben nicht nur. Muss Deutschland immer primär aus diesem Blickwinkel betrachtet werden? Verzeihlich ist dies im Hinblick auf Wolfgang Büschers Geburtsjahr – 1951. Auf dieser Reise, entlang der deutschen Grenze, hat er vielleicht auch ein Stückweit versucht, seine eigene Vergangenheit – auch als Nachkriegskind – aufzuarbeiten. Das weiß ich natürlich nicht, aber es wirkt so. Und ich, als Hörer, hätte lieber mehr vom heutigen Deutschland gehört, als allzu viele Ausflüge in die Vergangenheit zu unternehmen. Hierfür wende ich mich lieber anderen Büchern zu und wähle es dann ganz bewusst, mich mit der deutschen Vergangenheit auseinander zu setzen.

Zum Sprecher: Es ist sicher nicht einfach, die Reiseerlebnisse eines anderen vorzutragen und somit eine sensible Mischung aus Sachlichkeit und persönlichen Empfindungen, die nicht die eigenen sind, zu transportieren. Christian Berkel gelingt diese Gratwanderung in Perfektion. Er spürt die Härte in Büschers Tonfall und Blick ebenso sicher auf, wie die Poesie, mit der er hier und da so wunderbar zu überraschen versteht.

Fazit: Bin ich mit Büscher auch nicht überall einer Meinung und stößt er mich mit seinem oft so zwanghaft wirkenden Blick auf die deutsche Vergangenheit auch stellenweise ab, da ich mir von einem Reisebericht aus der Gegenwart den Schwerpunkt mehr im Hier und Jetzt wünsche, so muss ich ihm doch Respekt zollen. Respekt für diese interessante Reise, den (seinen) Blick auf Menschen und Ort und für seine teils wirklich poetischen Gedanken, die versöhnen und erfreuen. Respekt auch vor Christian Berkels Leistung, der die Vorlage stimmlich sehr überzeugend eingefangen und an den Hörer weitergereicht hat. (Petra)

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© 2002 Hoerbuecher4um, erstellt am 21.06.2006, letzte Änderung am 24.06.2006, Layout by abrakan