In Ihrer Laufbahn haben Sie sich
immer mehr auf die Stimme konzentriert - Schauspielerin in Film und Theater,
Synchronsprecherin und vor kurzem Ihr erstes Hörbuch Sieben magere Jahre" von
Celia Fremlin. Wie kam es zu dieser Entwicklung?Dagmar
Heller: Der Weg dorthin war Zufall. Es kamen auf einmal private Dinge dazwischen, so
dass eine Tournee nicht mehr möglich und ich mehr häuslich gebunden war.
Durch das Synchronsprechen spielte ich ja nicht mehr selber, war
hinter der Rolle verschwunden. Synchronsprechen ist eine uneitle Sache, aber sehr
lehrreich. Doch dann war irgendwann bei der Synchronsprecherei eine Grenze für mich
erreicht. Eine Sehnsucht setzte wieder ein nach einer Arbeit, wo ich selbst - von A bis Z
- verantwortlich bin.
Worin liegt für Sie der besondere Reiz sich nur mit der Stimme
auszudrücken?
Dagmar Heller: Das ist fast nicht zu beantworten. Beim Lesen
kommen Empfindungen, Emotionen aus der eigenen Lebenserfahrung auf, die in der Stimme
herauskommen, mit dem Text verschmelzen und zu einer Einheit werden.
Hierfür war das Synchronsprechen eine gute Übung: Man hat beim
Synchronsprechen nicht so viel Zeit für die Gefühle, sie kommen schneller und müssen
schneller heraus.
Aber Reiz kann man das eigentlich nicht nennen.
Vermissen Sie etwas bei dieser Art der Darstellung?
Dagmar Heller: Im Moment noch gar nichts! Im Gegenteil - im
Augenblick bin ich noch ständig auf der Suche, was ich daran noch verbessern kann.
Vermissen Sie den Kontakt zum Publikum und das Rampenlicht des
Theaters?
Dagmar Heller: Oh ja! In einem anderen Interview als es um
meine Arbeit als Synchronsprecherin ging, wurde ich mal gefragt Wie lebt es sich
denn so im off?". Das tat schon weh, aber es ist ja wahr. Als Schauspieler ist man
geboren und stirbt man - es ist etwas Exhibitionistisches daran.
Aber das Hörbuch-Sprechen versöhnt einen etwas. Das ist ein
Phänomen, was ich mir selbst noch nicht so recht erklären kann. Vielleicht ist es, dass
das Bild des Sprechers hinten auf der CD-Hülle gedruckt ist? Man hat etwas eigenes.
Beim Synchronsprechen hingegen ist es vorbei in dem Moment, wo man
den letzten Satz gesprochen hat und rausgeht. Das tolle Gefühl verpufft mit dem
Schließen der Tür.
Worin liegen Ihres Erachtens die besonderen Möglichkeiten des
Hörbuchs gegenüber anderen Medien?
Dagmar Heller: Ein Hörbuch ist etwas ganz konzentriertes. Es
ist ein Phänomen das verzaubert, eine ganz eigene Wirkung hat und eine eigene
Gesetzmäßigkeit. Es macht Spaß und da ist so eine Sehnsucht: Alles im Leben ist
verlogen, gute Leute kommen nicht hoch, weil einige hohe Leute das verhindern, ob oder
weil sie mit den guten Leuten nicht mithalten können. Und mit dem Hörbuch klinkt man
sich aus - es ist eine pure, ehrliche Arbeit - ja Purismus!
Ich habe kürzlich z.B. bei einer Hörspiel-Produktion von Ibsen
für den WR mitgewirkt. Doch ich bin kein Hörspiel-Naturell. Die sind eher gesetzt,
beamtenmäßig und gesichert.
War diese Hörspiel-Produktion vor oder nach ihrem ersten
Hörbuch?
Dagmar Heller: Das lief parallel. Im Moment bin ich in einer
Wandlungsphase, mal sehen wo es hinführt.
Wie bereiten Sie sich auf die Aufnahme eines Hörbuchs vor? Wie
oft lesen Sie den Text und machen Sie sich Anmerkungen?
Dagmar Heller: Zuerst lese ich das Buch einmal ganz durch ohne
etwas zu denken. Dann kopiere ich es vergrößert und arbeite es Satz für Satz aus,
versehe es überall mit meinem grünen Gekritzel wie eine Gebrauchsanleitung im Verkehr.
In meinem neuen Hörbuch Muttertag", für das die
Aufnahme heute anfängt, welches von dem schweizer Autor Heimann ist, notierte ich mir
ungefähr 50 Wörter und telefonierte mit jemand in einer schweizer Agentur, um zu hören,
wie sich diese schweizerischen Wörter richtig aussprechen. Dann bringe ich diese Worte
wieder neu in den Text ein.
Dann wird neu gelesen. Ich muss zugeben, dass ich es diesmal nicht
ganz geschafft habe, aber ich habe während der Produktion zwischendurch noch Zeit, dies
zu tun.
Beim ersten Lesen habe ich vieles noch nicht verstanden was
Heimann möchte. Er ist mal asozial, dann wieder sensibel, dann wieder richtig primitiv.
Erst beim Satz-für-Satz Lesen habe ich verstanden, dass es eigentlich ein
Gaunerstückchen ist, außer der Sache mit Kevin, dem Kind, was getötet wird. Und so habe
ich erst verstanden, was Heimann will.
Wie viel Zeit nehmen Ihre Vorbereitungen in Anspruch?
Dagmar Heller: Nun wie gesagt, einmal normal lesen. Dann das
Satz für Satz durcharbeiten nimmt so ca. 2-3 Wochen lang täglich 3-4 Stunden Zeit in
Anspruch. Dann das nochmal lesen ist wieder eine normale Lesezeit, bis auf einige
Passagen, die ich dann bis zu drei Mal durchgehe.
Wie darf man sich Dagmar Heller am Mikrofon vorstellen? Ruhig
und konzentriert oder wild gestikulierend?
Dagmar Heller: Wie jetzt - wild gestikulierend! (lacht)
Sieben magere Jahre" war eine ungekürzte Lesung.
Wie lange dauerte die eigentliche Produktion dieses Hörbuchs?
Dagmar Heller: 2 Tage. Das liegt an der guten Vorbereitung,
die ja mehr als doppelt so viel Zeit kostet wie die eigentliche Produktion. Am Anfang
stimme ich mich dann im Verlag mit der Regie ab und es wird sich geeinigt. Einige wenige
Stellen müssen dann während der Aufnahme wiederholt werden, aber eigentlich dann nicht
mehr besonders viele.
Es ist hier ein sehr angenehmes arbeiten. Es wird morgens 4
Stunden intensiv gearbeitet und dann gibt es eine lange Mittagspause, in der man sich noch
mal hinlegen, ausruhen und sich noch mal Passagen aus dem Text durchlesen kann. Dann geht
es weiter für ein paar weitere Stunden.
Identifizieren Sie sich gelegentlich mit Personen, denen Sie
Ihre Stimme verleihen?
Dagmar Heller: Momente, in denen man ähnliche Empfindungen
hat wie die Person. Aber ich identifiziere mich dann mit der Empfindung. Erkenne mich
darin wieder.
Was fasziniert Sie an Celia Fremlin?
Dagmar Heller: Die Sprache. So bildhaft, dass ich selbst die
geschälten Apfelscheiben fallen sehe, die sie beschreibt. Am Ende war ich nur noch
traurig, dass es aus war, denn ich hatte das Gefühl diese Leute gibt es wirklich und sie
sitzen in ihrem Haus und ich war traurig, dass ich sie nun jetzt nicht mehr sehen kann.
Auf jeden Fall aber die Sprache - aber man braucht auch Geduld
dafür!
Was lesen Sie so privat?
Dagmar Heller: Quer Beet. Das ist ganz furchtbar mit mir. Ich
sehe Inhalte, Buchvorstellungen oder mich interessiert die Thematik. Ich habe gar kein
Konzept.
Ich hatte sogar mal den Ehrgeiz sämtliche Bücher der Autoren des
vorigen Jahrhunderts zu lesen. Und das komplette Werk von Proust - was ja ganz gewaltig
ist.
Ich habe im Terminkalender eine Liste, auf der ich mir alle Titel
notiere, die ich gern lesen würde.
Hören Sie selbst auch gern Hörbücher?
Dagmar Heller: Bis dahin sehr wenig. Jetzt habe ich jedoch
Geschmack daran gefunden und fange an mich zu orientieren. Ich höre auch aus Neugierde
Kolleginnen aus diesem Verlag, um mal ein wenig zu vergleichen. Aber zum Glück habe ich
das erst im Nachhinein getan, denn sonst wäre die Gefahr doch sehr groß gewesen, dass
ich mich davon hätte beeinflussen lassen.
Nach Sieben magere Jahre" haben Sie von Patricia
Clough Hannelore Kohl - Zwei Leben" für Steinbach sprechende Bücher
gesprochen. Und nun sprechen Sie erneut beim Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen
das Hörbuch Muttertag" von Alexander Heimann. Gibt es für danach schon
konkrete Pläne welches das nächste Hörbuch sein wird?
Dagmar Heller: Nein, noch keine Pläne. Nun machen wir hier
erstmal "Muttertag" und dann sehen wir weiter.
Vielen Dank an Dagmar Heller für das interessante Interview
und an den Verlag und Studio für
Hörbuchproduktionen für die Möglichkeit diese tolle Sprecherin interviewen zu
können! Es hat mir großen Spaß gemacht und mir viele neue Einblicke in die Welt des
Hörbuchs gegeben!