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Rezension

Cover Der Papalagi
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Bewertung:
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:

Die Reden des Südsee-Häuptlings sind erstmals 1920 erschienen.

Südsee-Häuptling Tuiavii, weiser Kenner Europas, spricht zu seinem Volk. Er erzählt von seinen Beobachtungen, die er gemacht hat und warnt sein Volk davor, dem Ruf des Papalagi, wie für die Bewohner der Samoa-Inseln der Europäer heißt,  zu folgen, da dessen gepriesenen Errungenschaften der Zivilisation nicht glückbringend sind.

Meine Meinung:

Was Tuiavii zu sagen hat, geht uns alle an. Mehr wahrscheinlich, als wir selber glauben. Man mag jetzt denken: Was will uns schon ein Südsee-Häuptling, der gar nicht weiß, wie das Leben funktioniert, wichtiges zu sagen haben? Uns, in den reichen Ländern, die wir uns zu den Überlegenen und Privilegierten zählen dürfen?

Wer wirklich arm ist, das wird der verstehen, der den Reden des Insel-Häuptlings geduldig lauscht. Denn Tuiavii mag naiv sein, dies jedoch wird man ihm, hat man erst mal eine Weile zugehört, als Plus anrechnen. Und rechnen können wir kultivierten Menschen doch gut, nicht wahr?

Ich denke sogar, dass die Naivität, mit der der Südsee-Häuptling auf unsere europäische Zivilisation schaut, der Grund ist, warum man einsehen muss, dass er recht hat. Er sieht es aus seinem eigenen Blickwinkel. Und eben nur aus diesem. Würde einer von uns gesellschaftskritische Reden schwingen, so könnten wir ein paar der Dinge als überdenkenswert erachten, nie aber die tiefe Wahrheit erkennen, die aus seinen Reden spricht. Aus Tuiaviis Mund jedoch bleibt uns gar nichts anderes übrig als einzusehen, wie richtig er liegt. Er enttarnt uns mit seinem absolut unwissenden Blick auf uns zivilisierte Menschen, unser Leben, unsere Gewohnheiten und unsere Prioritäten, bis wir schließlich nackt und bloß dastehen und kein Kleid mehr unsere Lüge, mit der wir am meisten uns selbst erfolgreich zu täuschen versuchen, schmücken und verstecken kann.

Tuiavii versteht unser Handeln und unsere Lebensart nicht. Sein Unverständnis, nämlich das eines unbedarften Naturmenschen, öffnet uns die Augen dafür, wie absurd und töricht wir handeln und leben. Dabei sind wir doch alle immer so stolz darauf, zivilisiert zu sein. Schaut man im Duden nach der Definition des Begriffs Zivilisation, so wird man wissen, dass das folgendes bedeutet: “durch Fortschritt von Wissenschaft u. Technik verbesserte soziale u. materielle Lebensbedingungen.“

Genau diese Definierung straft Südsee-Häuptling Tuiavii in seinen Reden Lügen. Und selbst der klügste Kopf wird nicht abstreiten können, dass er mit seinen Ansichten richtig liegt. Unsere vermeintlichen Verbesserungen der Lebensqualität beinhalten weit mehr Verschlechterungen und Einschränkungen als die Neuerungen an Nutzen mit sich bringen. Im Grunde genommen haben wir das Leben, Lachen und Lieben verlernt. Der Papalagi ist der arme Mensch. Eine Erkenntnis, der man sich nach den gehörten Reden nicht mehr entziehen kann und die zunächst traurig und hoffnungslos stimmt. Aber nichts ist ausweglos. Ein jeder Mensch kann etwas für sich selbst verändern. Einen Schritt in eine andere Richtung wagen, dem viele weitere Schritte folgen können. Eigene Werte können neu überdacht werden und wir können die Bewohner der Samoa-Inseln als reiche Menschen ansehen, die uns gerne etwas von dem abgeben würden, was sie besitzen. Wir brauchen es nur anzunehmen - mehr müssen wir nicht tun, um diesen ersten Schritt in ein lebenswerteres, reicheres Leben zu gehen. Zum Paradies wird unsere Welt dadurch nicht, aber besser - für den, der zugehört und verstanden hat.

Das Zuhören erleichtert uns in dieser Hörbuchversion von Scheurmanns schon lange zum Klassiker avancierten Buchs der Sprecher Andreas Gehlen. Tuiaviis unverklärter, leicht traurige Blick auf uns, schwingt in seiner Stimme mit und macht das ganze Ausmaß unseres Fehlverhaltens noch eindringlicher deutlich. Durch Gehlen bleiben die Reden des Südsee-Häuptlings Reden, die nicht laut gesprochen werden müssen, damit sie ins Herz des Zuhörers dringen. Der Wahrheitsgehalt der Beobachtungen Tuiaviis ist so unumstritten, dass kein Plädoyer nötig ist, wie es gern in unserer Zivilisation praktiziert wird, um etwas vorzugaukeln. Scheurmann hat dies in den Aufzeichnungen der fiktiven Reden ebenso wenig nötig, wie Gehlen in seinem Vortrag.

Während der Lesung wird der Hörer von Thomas Becker musikalisch in die Südsee entführt. Südseeklänge, die dazu dienen, das Gehörte zu unterstreichen und dem Hörer genug Zeit zu lassen, um die einzelnen Passagen zu verinnerlichen. Dieses Hören, ganz in Ruhe, wäre sicher im Sinne Tuiaviis. In sofern ein äußerst elegant gewähltes Stilmittel.

Zum Abschluss möchte ich noch ergänzen, dass ich Der Papalagi in der Schule, im Alter von ungefähr 13 Jahren, lesen musste. Vollkommen ungeeignet, um den Gehalt dieses Buches auch nur zu erahnen. Ich bin froh, dass mir in Form dieser ungekürzten Lesung eine zweite Möglichkeit gegeben wurde, den Reden des Südsee-Häuptlings Tuiavii zu lauschen und mir von ihm die Augen öffnen zu lassen. Ganz verschließen möchte ich sie danach nicht wieder. (Petra)

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© 2002 Hoerbuecher4um, erstellt am 28.03.2004, letzte Änderung am 14.04.2004, Layout by abrakan