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(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze) |
Inhalt:
Hans Schnier ist Clown,
jedoch ein Clown, dessen Erfolgskurve sich
gerade stark nach unten neigt. Seine letzen Vorstellungen waren eine Katastrophe.
Hinzu kommt noch eine Knieverletzung. Die nächsten Engagements sind abgesagt, neue nicht in
Sicht, das Portemonnaie leer und Förderer sind nicht vorhanden. Wie ist aus dem beliebten Hans
Schnier der Versager geworden? Und wie soll er an Geld kommen, damit das Überleben für das
nächste Jahr gesichert werden kann? Darüber sinniert der Clown vordergründig in diesem Buch.
Marie hat ihn verlassen, damit fing die Talfahrt an. Marie ist zu einem Katholiken übergelaufen
und ist damit mitschuldig an seinem Dilemma. In einigen Ausschnitten schildert Hans sein
glückliches Leben mit Marie, der einzigen Frau, die er bisher geliebt hat.
Darum herum ranken sich viele Begebenheiten, die Hans Schnier zur Abrechnung mit der
Katholischen Kirche als Institution und deren verlogenen Vertretern benutzt. Auch seine
evangelischen Eltern und sein Bruder, der konvertiert und Priester werden möchte spielt
mit in diesem teuflischen Spiel. Die oftmals scheinheilige Welt der 50er Jahre wird an
den Pranger gestellt.
Im Anschluss an die Autorenlesung ist eine Diskussion von Heinrich Böll mit
Schülern aus Pulheim bei Köln aufgezeichnet. Eine Diskussion, die Aufschluss darüber gibt,
welchen aktuellen Wert Böll diesem Werk, das zur Zeit seiner Erscheinung sehr stark kritisiert
wurde, heute noch beimisst.
Meine Meinung:
Hans Schnier ist ein Mann von Mitte 20; gelesen wird das Buch vom Autor selbst,
als der schon ein alter Mann ist. Kann diese alte Stimme den jungen Mann glaubhaft verkörpern?
Diese Frage drängte sich mir als erstes auf. Und ich musste meine Zweifel schnell korrigieren.
Heinrich Böll kann es!
Er liest den Clown mit der nötigen Melancholie und Distanz. Sein Akzent und die Wärme in der
Stimme machen das Werk im Kopf schnell zu einer Biographie von Heinrich Böll selbst,
auch wenn sicherlich nur Einzelheiten dem wahren H. Böll entsprechen. Die Stimme ist zwar nicht
geschult wie die eines Schauspielers oder professionellen Sprechers, jedoch völlig glaubwürdig.
Die Zwiespältigkeit und die Verzweiflung, die den Clown beherrschen, werden direkt spürbar.
Eine glänzende Wahl, dieses Buch als Autorenlesung herauszubringen.
Brillant gewählt ist auch die Anschlussdiskussion. Im Gespräch mit Schülern erhält Böll die
Möglichkeit darzulegen, wie die Figur des Clowns zu sehen ist. Er skizziert
die Idee des antiken Labyrinths, das ewige an die Grenzen Stoßen und Suchen, die in den Stoff eingearbeitet ist. Er erklärt einige Intentionen, die hinter
einzelnen Passagen stecken, gibt also Antworten auf einige Fragen, die sich während der
Lesung im Kopf ergeben haben.
Endlich ist man nicht auf Vermutungen angewiesen, was der Autor denn gemeint haben könnte,
sondern wir erfahren, was sich Böll wirklich dabei gedacht hat, die Figuren und Handlungen
so anzulegen, wie er es getan hat. Das wünschte ich mir zu manch einem historischem Werk,
bei dem Deutschlehrer ihre Schüler heute noch zu der Meinung verdonnern, die ihnen so gerade
in den Sinn kommt. Leider ist dann jedoch kein Autor greifbar, der das ggf. korrigieren kann.
Ich habe mich darauf gefreut, den Inhalt des Buches nochmals zu durchdenken, quasi Wiedersehen
zu feiern. Während der Schulzeit habe ich es freiwillig gelesen, weil ich aus diesem Milieu komme.
In meiner Jugend war es für einige Menschen noch wichtig, ob man evangelisch oder katholisch war.
Freunde waren verboten, wenn sie andersgläubig waren. Insofern habe ich das Buch heute als eine
Art Zeitgeschichte betrachtet. Die Verlogenheit, die der katholischen Kirche hier unterstellt
wird, kann ich an einigen Wesen noch heute bestätigen. Das ganze dann aber noch so gut ausgedrückt
zu hören, wie es ein Heinrich Böll kann, das hat mir wieder gut getan. Seine Wortwahl um gegen
die Scheinheiligkeiten der Umgebung anzugehen hat mich damals wie heute befriedigt.
Die Technik ist unaufdringlich und stimmt. Die Tracklängen sind passend und ermöglichen einen
sehr kurzfristigen Wiedereinstieg in das Geschehen.
Diese Hörbuchproduktion als Gesamtheit: Sprecherauswahl, Romaninhalt,
Diskussion und Technik zusammen genommen, ist rundum gelungen.
Nicht nur wegen des anschließenden Interviews kann ich mir diese Lesung auch gut für
den Unterricht vorstellen. Ob im Geschichtsunterricht, denn schließlich sind auch die 50ger Jahre
mittlerweile Geschichte, Politik oder auch Religion, diese Entscheidung kann man sicherlich
den Lehrern selbst überlassen. (Binchen im April 2003)
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